Presse
NZZ, 19.10.08
Zwischen Reflexion und Spiel: Jüngere Komponisten auf Sprachsuche.
Alfred Zimmerlin.
(…)
Risikobereitschaft
Symphatisch und wichtig ist, dass das Festival auch einer jüngeren Komponistengeneration eine Plattform bietet. So wurde vom Ensemble Laboratorium ‚Responsorium I-X’ des Schweizers Patrick N. Frank (geb. 1975) uraufgeführt. Ihn beschäftigt die brennende Frage, wie in einer Zeit des ästhetischen Pluralismus und des Fehlens verbindlicher Wertmassstäbe noch komponiert werden kann.
Und so steht im Hintergrund seines Werkes quasi als Dialogpartner des Erklingenden eine Sammlung von zehn philosophischen, religiösen und soziologischen Textfragmenten, welche im Programmheft abgedruckt sind und die man mit Gewinn liest. Ob Teile davon wirklich Baldur Brönnimann in der Doppelrolle als Dirigent und Schauspieler anvertraut werden müssen? Manches geht nicht auf in dieser dichten, expressiven und sehr eigenständigen Musik. Aber Frank riskiert dabei viel, er irritiert, und das ist wichtig und richtig.
Dass das Komponieren von Neuer Musik jedes Mal ein Wagnis sein sollte, haben längst nicht alle Komponierenden begriffen. Frank indes liess sich eindrücklich auf das Wagnis ein. Und Altmeister Helmut Lachenmann tat dies in seinem in Klavierlieder-Besetzung geschriebenen ‚…got lost…’ (2008) auf exemplarische Weise: (…)
Tages Anzeiger, 11.11.08
Die Komposition des Zürcher Komponisten Patrick N. Frank
hinterfragt und hintertreibt.
Thomas Meyer.
(…) Aus Schweizer Sicht ist besonders die Uraufführung eines neuen Werkes des Zürchers Patrick N. Frank zu erwähnen. Frank ist ein Komponist, der es nicht mit schönen Klängen bewenden lässt, sondern seine Musik hinterfragt und hintertreibt.
So gut das eben geht, muss man anfügen, denn eigentlich ist Musik nicht zur Metamusik geschaffen. So basiert sein Stück auf verschiedenen philosophischen Texten, die im Programmheft vorliegen. Nachdem sich die Musik schon mit einiger mal chaotischer, mal geordneter Energie entwickelt hat, werden diese teilweise auch rezitiert. Der Dirigent dreht sich um und wirft sie ins Publikum, er stellt das Klingen damit in Frage.
Das wirkt freilich so, als würde jemand seine starke, äusserlich aparte und von allen bewunderte Brille plötzlich abziehen, mit Blick auf das schöne Gestell sagen: , und die Brille wieder anziehen, worauf er wieder gut sieht und wir sie weitrer bewundern können. Ähnlich wirkte das in Franks Musik. Die abwechslungsreiche Musik liess sich nicht wirklich stören, die Metaebene funktionierte nicht. Und doch machte gerade die Unmöglichkeit dieses Unterfangens einen gewissen Reiz dieses Werks aus. Es interessiert, weil es sich nicht zufrieden gibt.
Dissonanz 105, März 09
Kurzweile, Diskursangst.
Die Tage für Neue Musik Zürich (6.-15.November 2008).
Thomas Meyer.
(…) Aus Schweizer Sicht ist ein neues Werk des Zürchers Patrick N. Frank erwähnenswert. Er lässt es nicht mit schönen Klängen bewenden, sondern hinterfragt und hintertreibt sie – so gut das eben geht, muss man anfügen, denn eigentlich ist Musik nicht zur Metamusik geschaffen.
So basiert sein Stück auf verschiedenen philosophischen Texten, die im Programmheft vorliegen, die aber auch teilweise, nachdem die Musik schon mit einiger mal chaotischer, mal geordneter Energie entwickelt hat, rezitiert werden. Der Dirigent dreht sich um und wirft sie ins Publikum, er stellt das Klingen damit in Frage. Das wirkt freilich so, als würde jemand seine aparte undvon allen bewunderte Brille plötzlich abnehmen und mit Blick auf das schöne Gestell sagen: , und sie gleich wieder aufsetzen, worauf er wieder gut sieht und wir sie weiter bewundern können. Ähnlich wirkte das in Franks Musik. Die abwechslungsreiche Musik liess sich nicht wirklich stören, die Metaebene funktionierte nicht. Und doch machte gerade die Unmöglichkeit dieses Unterfangens einen gewissen Reiz dieses Werks aus. Es interessiert, weil es sich nicht zufrieden gibt. PS. Mit dieser Kritik, wie sie ähnlich im Tages-Anzeiger veröffentlicht wurde, gab sich Frank natürlich auch nicht zufrieden. Hier ein paar Auszüge aus unserem anschliessenden E-Mailwechsel:
PF: Die Philosophie und die Kunst standen (und stehen) lange in Konkurrenz zueinander: das begrifflich-theoretische Denken vs. das unbegrifflich-ästhetische Denken. Aus dieser Konkurrenz entstanden hierarchische Modelle, die Philosophie meist zuoberst, die Kunst (weit) darunter. Alles bekannt soweit. Im Responsorium (und auch schon im Projekt Limina) greife ich auf das begriffliche Denken zurück – nicht, um eine ‚Metaebene‘ zu schaffen, sondern um beide Sphären einander befruchtend gegenüberzustellen, nicht konkurrenzierend. Was das begriffliche Denken kann, kann das Ästhetische nicht und umgekehrt. Adorno: ‚Desshalb bedarf Kunst der Philosophie, die sie interpretiert, um zu sagen, was sie nicht sagen kann, während es doch nur von Kunst gesagt werden kann, indem sie es nicht sagt’. (Ästhetische Theorie, S.113) Du hast Recht, wenn Du sagst, es sei ‚unmöglich‘ – verschmelzen möchte ich beide Sphären nicht. Insofern gibt es keine ‚Metaebene‘, sondern gemeinsam erarbeitete Themenfelder, die Musik mit musikalischen Mitteln, die Philosophie mit Texten, in einem Werk gegenübergestellt. Im Responsorium kommt natürlich hinzu, dass die Form schon immer Text beinhaltete – darum habe ich es auch in meinem ‚gebraucht‘ – statt des geistlich-moralischen Textes von ehemals eine ‚zeitgenössisch‘ wissenschaftlich-moralische Textauswahl. Das Responsorium ist also nicht ‚direkt‘ moralisch-kritisch gemeint (durch die Zitate), sondern ein ‚Test‘, wie Moral, derart explizit dargestellt, heute noch wirken kann – mit (von mir) offen gedachtem Ausgang. Ich war mir nicht sicher, ob ich das in den Einführungstext beschreiben sollte, sah aber davon ab, da sonst der ‚Test‘ nicht neutral gewesen wäre…
TM: Fraglich vielleicht, ob Werke Testcharakter haben sollen/können. Ob sie damit nicht zu „einmalig“ werden…
PF: Du hast Recht, wenn ein Werk als Test daherkommt, ist die Gefahr gross, dass es nur einmal gespielt werden kann. Ich gehe inzwischen schon fast selbstverständlich davon aus, dass meine Werke sowieso nur einmal gespielt werden – zumindest am selben Ort. An einem anderen Ort würde es dann wieder funktionieren.Mir gefällt auch, dass ich offenbar ‚hintertreibe‘, was auch immer das heissen mag…als Gesamteindruck hab ich die Kritik durchaus positiv gelesen; meine ‚Message‘ ist kompliziert (jedoch nicht im direkt musikalischem Sinne, daher vor allem kompliziert!), daher bin ich glücklich, dass langsam immer mehr davon auch in den Kritiken sichtbar wird, auch in Deiner. Ein Teil dieser ‚Message‘ ist übrigens das Manko an Diskursen in der Neuen-Musik-Szene, aus diesem Grund erlaubte ich mir, Dir eine Rückmeldung zu geben. Verstehe sie insofern nicht als Kritik an der Kritik meines Werkes. Lediglich Deine Einschätzung von Parra/Thomalla würde ich etwas anders sehen, aber das ist ein anderes Thema und gehört nicht in meinen Bereich…
TM: Ich habe Deinen Text auch nicht so sehr als Kritik an meiner Kritik gelesen denn als Kommentar und Ergänzung. Und dass es an Diskursen in der Neuen Musik mangelt, stimmt natürlich. Ich frage mich schon lange, wie man die etwas aktivieren könnte, weiss aber noch nicht so recht wie. Es reicht einfach nicht, mal eine negative Kritik zu schreiben, denn in den Tageszeitungen bleibt das viel zu punktuell. Und in der Dissonanz oder so erhält man kaum Feedback. Ich bin da etwas ratlos geworden.
Und dann verwies Frank auf jenen Text zum Thema Widerstand, der in dieser Dissonanz zu lesen ist (S.18-21). So viel Berichte, so viele Fragen. Es wäre schön, wenn sich dieses Diskursfeld wieder öffnen liesse.